Arbeitsgruppe “Musik und Psychiatrie im Biedermeier”
Andrea Korenjak, Manuela Schwartz, Cheryce von Xylander
Abstract: Der Integration musikalischer Aufführungen und Betätigung der Kranken in psychiatrischen Einrichtungen zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts lagen neue Erkenntnisse zur emotionalen Wahrnehmung, zum Hören von Musik wie auch zur Musikalität von Menschen und Tieren zugrunde. Parallel zu den Reformbewegungen in der Psychiatrie nach dem Vorbild Frankreichs und Englands kommt es in Verbindung mit Philippe Pinels und Etienne Esquirols traitement moral zu verschiedenen Anwendungskonzepten von Musik in den psychiatrischen Anstalten Europas: „Alle beobachtenden Aerzte räumen der Musik einen vorzüglichen Rang unter den Arzneien ein, welche man bei der Behandlung der Nervenkrankheiten anwendet“ (Philippe Pinel).
Trotz der zunehmenden Bedeutung von Musik als Mittel der „Zerstreuung“, „Sammlung“, „(Ab)lenkung“ oder „moralischen Therapie“ differiert das Maß ihrer Anwendung erheblich. Im deutschsprachigen Raum wird „die“ Musik – ein den historischen Umständen anzupassender Terminus – in der Ära des Biedermeier/ Vormärz mehrheitlich in Hinblick auf ihren Einfluss auf das „Gemüt[h]“ der psychisch Kranken diskutiert. Anhand verschiedener Beispiele aus dem süddeutschen und Wiener Raum soll nicht nur der jeweilige psychologische und philosophische Diskurs zur Konstruktion von „Gemüth“ diskutiert, sondern zudem die darauf bezogene konkrete Umsetzung musikalischen Handelns, das Musikleben in einer Heil- und Pflegeanstalt wie auch die damit zusammenhängende Frage nach dem gesellschaftlichen Profil der jeweiligen Patienten erarbeitet werden.